Das Beitragsfoto des Artikels »geben und nehmen aus aus spiritueller Sicht« zeigt ein Sparschwein, in das ein Geldschein gesteckt wird.
Spiritualität im Alltag

Nehmen und Spenden aus spiritueller Sicht

  • Lesedauer: 4 Minuten
Das Foto zeigt zwei Menschen, die durch ihre Hände miteinander verbunden sind. In der Mitte der Handflächen befindet sich ein Herz. Dies könnte so gedeutet werden, dass diese Hand Liebe gibt, etwa in Form einer Spende.
Spenden könnte mit dem »Geben von Liebe« verglichen werden. Allerdings fällt dieses bedingungslose Geben für viele von uns nicht immer leicht. Von kleinauf lernen viele von uns, dass es fast nichts umsonst gibt und dass das Empfangen von Dingen unter Umständen zu einer Art »Schulden« führt, die irgendwann wieder ausgeglichen werden sollten. Da ist halt auch der Gedanke, dass Geben und Nehmen sich die Waage halten sollten. In diesem Artikel befasst sich Barbara Nobis deshalb mit dem Nehmen und Spenden (Geben) aus spiritueller Sicht. Foto: depositphotos.com

Neulich an der Supermarktkasse: »Nur für mich!«, schreit ein zirka vierjähriges Mädchen und presst eine Verpackung mit rosa und weißen Schokolinsen an sich. »Leg sie aufs Band, die müssen wir erst bezahlen«, ermahnt sie die Mutter. Nur zögernd kommt das Kind dieser Aufforderung nach. Etwas in ihr weigert sich, die wertvolle Habe aus den Händen zu geben –  und sei es auch nur für einen kurzen Moment. Nehmen ist seliger als Geben!

Müssen Geben und Nehmen stets im Gleichgewicht sein?

Diese Situation veranschaulichte mir zweierlei: Erstens fällt es dem Ego-Anteil in uns schwer, sich von jenen Dingen zu trennen, die wir für uns als wichtig erachten. Zudem wird deutlich, was wir von kleinauf lernen: »There is no such thing as a free lunch!« Eben. Es gibt nichts umsonst. Wer sich Schokolinsen nimmt, muss etwas dafür geben, nämlich Geld.

Geben und Nehmen scheinen stets im Gleichgewicht bleiben zu müssen. Was macht es mit mir, wenn ich ein Geschenk erhalte, ohne dem Schenkenden einen entsprechenden Gegenwert bieten zu können? Natürlich bin ich ihm zunächst dankbar – und fühle mich möglicherweise in seiner Schuld. Nach diesem Prinzip verfahren wohltätige Organisationen, wenn sie potenziellen Spendern vor Weihnachten kunstvoll gestaltete Weihnachtskarten oder Adressetiketten schicken. Ganz deutlich wird das Prinzip der Gegenleistung an Heiligabend. Kennen Sie nicht auch das beschämende Gefühl, beschenkt worden zu sein und Ihrerseits mit leeren Händen dazustehen? Es scheint tief in unseren Köpfen verankert zu sein, das Denken, dass Geben und Nehmen im Gleichgewicht bleiben sollten.

Heiler/-innen wünschen sich einen »Energieausgleich«

Wenn jemand einem anderen etwas Gutes tut oder ihm Geld schenkt, fließt Energie vom Gebenden zum Nehmenden. Davon scheint der Bereich der spirituellen Dienstleistungen nicht ausgenommen. Damit eine heilkräftiger Service nicht zu einem energetischen Ungleichgewicht führt, wünschen sich viele Heiler/-innen einen »Energieausgleich«. Meistens handelt es sich dabei um Geld. Folglich scheinen sich Geben und Nehmen auch im spirituellen Sektor zu bedingen.

Wird ein Mensch durch den Akt des Verschenkens folglich ärmer? Auf den ersten Blick kam es mir kürzlich so vor. Es ging um einen guten Bekannten, der im Ausland weilt und besonders hart unter den Folgen des Lockdowns leidet. Trotz meines Wissens darum, rang der freigiebige Anteil in mir mit meinem Ego: »Nein, in nächster Zeit kannst du ihm nicht mehr die Zimmermiete zahlen. Bedingt durch Corona verdienst du doch selbst kaum Geld. Wer weiß, wann sich das ändert. Außerdem verzichtest du seit Monaten bereits auf so vieles!«

Das Foto zeigt einen mit einer Schleife verzierten Karton, die von vier Händen gehalten werden. Dies ist ein Synonym für das Schenken. Wird der Schenkende aus spiritueller Sicht durch diesen Akt tatsächlich ärmer?
»Geben und Nehmen sind eins« heißt es in vielen spirituellen Büchern. Dennoch verlangen energetisch orientierte Heiler:innen für ihre Dienste einen »Energieausgleich«. Damit ist klar, dass der Grundsatz, dass Geben und Nehmen im Einklang stehen sollten, auch für spirituell orientierte Menschen zu gelten scheint. Letztlich ist jeder Mensch dazu aufgerufen, für sich herauszufinden, was er aus freiem Herzen und mit gutem Gefühl geben beziehungsweise spenden kann. Foto: depositphotos.com

Im Universum gibt es alles umsonst?

Daraufhin habe ich mich mit einigen spirituell denkenden Freunden unterhalten und sie um ihre Meinung gebeten. »Geben macht auf jeden Fall reicher, denn das ist das Prinzip des Universums«, so ein Geschäftsmann. »Das Universum und Mutter Erde geben uns alles kostenfrei und dennoch herrscht auf diesem Planeten eine unglaubliche Fülle. « Gerne würde ich meinem Freund glauben, dass es ein Nehmen ohne ein entsprechendes Geben gibt. Jedoch habe ich meine Zweifel. Der Klimawandel scheint den Umstand zu betätigen, dass wir von »Mutter Natur« über Gebühr genommen haben – und zwar ohne Gegenleistung.

 »Gib nur, wenn es dir leicht fällt; gib von Herzen«, lautete der Rat einer Freundin, die über sich sagt: »Ich gebe gerne. Dafür erwarte ich keinen übermäßigen Dank, jedoch eine gewisse Wertschätzung.« Also doch. Irgendwie soll etwas zurückkommen beim Geben – oder habe ich das falsch verstanden? 

Das Foto zeigt eine Hand mit einer Glaskugel, aus der ein Baum sprießt. Synonym für die Erde, die das Leben spendet. Allerdings nimmt der Mensch oftmals mehr, als dem Planeten gut tut, was sich etwa an der Bodenerosionen nach Überweidung zeigt.
Spirituelle Lehrer:innen erinnern immer wieder daran, dass der Planet Erde uns Menschen im Überfluss gibt. Dennoch weisen die Vergiftung der Böden, die Bodenerosion, steigende Abfallprobleme, zersiedelte Landschaften und die Süßwasserverschmutzung darauf hin, dass sich das Geben und Nehmen nicht im Einklang befinden. Foto: Depositphotos.com

Geben und Nehmen sind eins

Eine andere Freundin, die unter anderem dem »Kurs in Wundern« folgt, erinnerte mich schließlich daran, dass Geben und Empfangen in Wahrheit eins sind (Lektion 108). Darüber hinaus hätte einzig Gott etwas zu geben, Gott gebe immer 100 Prozent. Dagegen hätten wir Menschen, wenn wir uns als Körper verstünden, nur Ego-Gaben für die anderen übrig. Wir Menschen würden nicht wirklich geben, sondern seien auf Tauschgeschäfte aus – in der Liebe, im Beruf, in Beziehungen. Das Geben würde an die Erwartung geknüpft, etwas zurückzubekommen. Dies sei ein bedingtes und kein bedingungsloses göttliches Geben. Es gibt noch viele weitere Stellen im »Kurs in Wundern« (z.B. Lektion 126), die darauf hinweisen, dass vollkommenes Geben mir selbst als Spenderin zugute kommt. Schließlich sind wir alle miteinander verbunden und die anderen spiegeln letztlich nur mich. Auch die Bibel fordert dazu auf, reichlich zu geben. Denn: Wer reichlich gibt, wird gelabt (Sprüche 18:16). Außerdem heißt es hier: »Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch zumessen.« (Lukas 6:38)

Spenden: Nicht nur aus spiritueller Sicht betrachtet

Im Islam, im Judentum, im Buddhismus und im Hinduismus wird die Spende ebenfalls den Gläubigen empfohlen. Sprechen wir exemplarisch über den Islam und den Buddhismus. Hier entspricht das Geben von Almosen einer der fünf Säulen. Ein Muslim sollte zirka 2,5 Prozent seines Vermögens spenden – sofern er nicht unter dem Existenzminimum lebt oder hoch verschuldet ist. Der Begriff dafür lautet »Zagat«. Viele Buddhisten und Hinduisten sind davon überzeugt, dass sie durch die positive Handlung des Spendens ihr Karma verbessern können.

Es muss nicht immer Geld sein, das wir verschenken

Menschen, die mit der WORK von Byron Katie vertraut sind, wissen, dass sich Glaubenssätze à la »Geben macht ärmer« prima in ihr Gegenteil verkehren lassen. Also: Geben macht reicher. Inwieweit stimmt das in meiner Situation? Ja, Geben macht reicher an Mitgefühl, am Miteinander, an Verbundenheit – also jenem Zustand, den mein Ego zu vermeiden sucht. Außerdem wurde ich mir bei der WORK vor zwei Monaten trotz der coronabedingten finanziellen Einbußen bewusst, wie gut es mir noch geht: Ich öffne jeden Morgen einen gut gefüllten Kühlschrank; ich muss nicht in Lumpen herumlaufen. Mir fehlt es an nichts. Und wenn die Finanzen beim besten Willen nichts mehr hergeben? Selbst dann kann ich dem anderen etwas schenken, nämlich meine Zeit, mein Zuhören und meine Kreativität. 

Wie sagte Stella Deetjen beim Interview für mein Buch UMGEKREMPELT? »Jeder ist dazu in der Lage, einem anderen menschlichen Wesen Zuwendung zu geben. Dieses Bewusstsein fehlt ein bisschen in unserer Gesellschaft. Wir reden in Deutschland von Inklusion, aber kaum jemand traut sich, Senioren und Kranken ins Gesicht zu schauen oder einmal eine zitternde Hand zu halten.«  

Geben mit leichter Hand

Trotz all dieser Argumente für das Spenden bin ich nicht zur bedingungslosen Geberin mutiert. Als Mensch, der bei weitem nicht egofrei ist, rät mir mein gesunder Menschenverstand, dass nach dem Plündern der letzten Reserven erst einmal neues Einkommen verdient sein will. Wie sagte meine Freundin? »Gib, wenn es dir leicht fällt. Gib von Herzen.« 

Außerdem enthält die Bibel eine Aussage über das Geben, die mir sehr plausibel erscheint. Es geht um das Geben mit leichter Hand,  »Ein jeder, wie er’s sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.« (2 Korinther 9:7) 

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