Spirituelle Bücher und Filme

Rezension: Gott trägt Latzhose

Lesezeit:4 Minuten
Buchtitel:Gott trägt Latzhose. Die spirituelle Reise des Jan de Groot
Lesesterne:**** (4 von 5 Sternen)
Autor: Stephan Paul Heinrich (Pseudonym)
Genre:Roman
Rezensentin: Barbara Nobis

Gott trägt Latzhose – oder: Wo geht´s hier zum Erwachen?

Wer bin ich? Wie gelange ich zum Glück der Erleuchtung? Autor Stephan Paul Heinrich geht dieser Frage, die sich wohl viele spirituell interessierte Menschen stellen, in seinem Roman ausführlich nach. Ist es tatsächlich ein Roman? Dem ersten Anschein nach stimmt dies. Schließlich präsentiert uns der Autor seinen fiktiven Helden Jan, der für gewöhnlich seine Brötchen als Architekt verdient. Da es jedoch Ostern ist und der Protagonist an einem Virus-Infekt leidet, sitzt er an diesem Feiertag alleine in seiner Wohnung. Dabei erinnert er sich mittels eines inneren Monologs an all die Erlebnisse während seiner 20-jährigen spirituellen Suche. Diese Rückschau, welche gespickt ist mit vielen klugen Zitaten von Dichtern, Denkern und spirituellen Meistern, wäre eine gute Vorlage für ein Kammerspiel. Sein Titel könnte lauten: »Enlightenment for one«. 

Kräfte und Energiefelder verbinden wie unsichtbare Spinnenfäden die Menschen

Jan erzählt sich selbst beziehungsweise den Leser/-innen, wie das Universum oder der Zufall ihn dazu einluden, sich der Spiritualität zuzuwenden: In einer Familienaufstellung hatte er als Stellvertreter eines Narzissten genau dessen Denken und Verhalten spüren können – ohne zuvor auch nur andeutungsweise etwas über diesen Mann erfahren zu haben. Deshalb kam der Protagonist zu Beginn seiner spirituellen Suche zum Schluss, dass es Kräfte und Energiefelder gibt, die wie unsichtbare Spinnenfäden die Menschen miteinander verbinden. Ach ja, und dann lernt er den Titelhelden des Romans »Gott trägt Latzhose« kennen. Es handelt sich um einen Elektro- und Fernsehtechniker namens Frank, der sich selbst als Messias bezeichnet. Trotz anfänglicher Skepsis wird Franks Buch für Jan zu einer Art Bibel. Warum? In ihm finden sich Sätze wie zum Beispiel: »Sobald Du die Welt verurteilst, verurteilst du dich selbst« und »Der Weise schaut in die Welt und sagt, das bin ich«. 

Skurile Erlebnisse bei der Suche nach Erleuchtung

»Der Weise schaut in die Welt und sagt, das bin ich«. Dieser Satz wird für Jan zu einem Mantra, zu einer Art Koan, einem Rätsel, das der Protagonist in seiner gesamten Bedeutung erfahren will. Für dieses Ziel nimmt er viele Mühen auf sich. Hierzu zählen ein Manifestations-Seminar, buddhistische Retreats, schamanisch angeleitete Naturaufenthalte, ein Schwert-Seminar mit einem Kung-Fu-Meister und eine Reise nach Asien. Diese Einblicke sind keineswegs langweilig. Das liegt zum einen am kritischen Blick auf das Geschehen als auch am trockenen Humor des Wahrheitssuchenden in »Gott trägt Latzhose«. Eine Kostprobe? Jan berichtet augenzwinkernd über das Verhalten einiger Frauen und Männer während eines buddhistischen Retreats. Als der Rinpoche (Ehrentitel für buddhistische Meister) eintrifft, werfen sich einige eifrige Jünger in der ersten Reihe zu Boden. Jans Ansicht nach vollbringen sie damit Ehrerbietungen der Extraklasse: 

Erst fielen sie auf die Knie, dann der Länge nach auf den Boden, schnellten wieder hoch, dann wieder auf die Knie und schlossen ihre Kür in stehender Haltung mit geschlossenen Händen und geneigten Häuptern ab. Jan traute seinen Augen nicht, aber leider war der Spuk bereits nach zehn Sekunden vorbei. Wow, dagegen war die Gebetsgymnastik der katholischen Kirche gar nichts, dachte er und nur die Kälte hielt ein lachendes Glucksen in seiner Kehle zurück. 

Gott trägt Latzhose: Eine Rezension von Barbara Nobis
Barbara Nobis rezensiert den Roman »Gott trägt Latzhose« von Stephan Paul Heinricht

Das stille Örtchen als weitere Station auf dem Weg zur Erleuchtung

Aus dieser wohltuend distanzierten Perspektive berichtet der Held beispielsweise auch über ein „Alles-ist-Liebe-Seminar, bei dem die Teilnehmer/-innen »Geld,Geld, Geld« skandieren. Für Jan ist diese Veranstaltung ebenso ein Griff ins Klo wie die Palmblattlesung eines indischen Astrologen. Apropos Klo: Das stille Örtchen spielt am Ende des Buches eine nicht ganz unerhebliche Rolle bei der Frage, wer wir Menschen eigentlich sind. So viel sei verraten: Jan begreift, dass er weder sein Körper, noch sein Verstand ist. Er erkennt, das es in ihm oder über ihm eine Art Instanz gibt, die über seinen Körper hinausgeht. Diese Erfahrung bringt Jan allerdings noch nicht die ersehnte Erleuchtung. Sie ist jedoch eine von vielen Sonnenstrahlen, die ihn immer öfter spüren lassen, dass er pures Bewusstsein ist. Er ist Bewusstsein, das alle scheinbar äußeren Objekte in sich enthält. Was sagte der Gott in Latzhose? »Der Weise schaut in die Welt und sagt das bin ich.« 

Fazit von »Gott trägt Latzhose«: Ein lesenswertes Buch

Spirituelle Leser/-innen erahnen trotz der teils amüsant geschriebenen Vorkommnisse, die Sehnsucht und Intensität der 20-jährigen Suche nach Erlösung vom Normalbewusstsein. Zumindest ich habe mich darin wiedererkannt. 

In den eben beschriebenen Punkten empfinde ich Stephan Paul Heinrichs Roman »Gott trägt Latzhose« auf jeden Fall als gelungen. Dennoch hatte ich zu Beginn ein wenig Mühe, mich in die Story ziehen zu lassen: Da sitzt ein ermatteter Mensch im Sessel und denkt über manch klugen Satz zur Erleuchtung nach. Und wenn er gerade mal nicht denkt, dann nippt er am Tee oder isst Kekse. Sind diese Pseudo-Handlungen wirklich notwendig? Betrachten wir dazu die Schluss-Szene des Buches: Sie handelt von Biggi, Jans Lebensgefährtin, die von einem Familientreffen in die gemeinsame Wohnung zurückgekehrt ist. Sie betrachtet ihren Herzensmann, der im Sessel eingeschlafen ist und lächelt dabei liebevoll. Das wäre doch ein wunderbarer Schlusssatz gewesen! Warum Biggi danach zur hellblau lasierten Tonschale greift und sich einen Keks in den Mund schiebt, ist mir dramaturgisch nicht ersichtlich. Aber vielleicht haben das Universum oder der Gott in Latzhose eine Antwort darauf. 🙂 

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