Meine vier größten spirituellen Stolpersteine – ein Erfahrungsbericht
Als ich mich vor rund vier Jahren aufmachte, um den Weg gen Verbundenheit zu gehen, lag mir der Gedanke an mögliche spirituelle Stolpersteine fern. Was sollte schon schiefgehen? Auf meiner To-Do-Liste standen scheinbar klar umrissene Aufgaben. Sie lauteten:
1. | Ausbildung zum Medium |
2. | Loslassen aller Blockaden |
3. | Glücklich sein |
Spiritualität macht doch glücklich – oder etwa nicht? Die Logik dahinter: Derjenige, der sich nach innen wendet und das Warum seines Lebens findet, hat einen triftigen Grund, glücklich zu sein. Damit sind wir bereits bei der ersten Falle auf dem spirituellen Weg, nämlich der Erwartung, dass Spiritualität glücklich macht.
Spiritueller Stolperstein Nr. 1: Spiritualität macht glücklich
Jeder von uns hat mindestens einmal im Leben erfahren, dass das Glück vergänglich ist. Auf eine erfolgreiche berufliche Phase folgen mitunter finanzielle Einbrüche oder Monate der Arbeitslosigkeit. Wir verlieren geliebte Menschen; wir erleiden einen Unfall und können danach nicht mehr laufen. Das äußere Glück kippt dann unversehens in sein Gegenteil, das Leid.
Ist es da nicht besser, sich auf das unvergängliche Glück zu konzentrieren, bedingungslose Selbst- und Nächstenliebe zu kultivieren und im JETZT zu leben? Um sich vom äußeren Glück unabhängig zu machen, empfehlen spirituelle Lehrer zudem, zu einer echten inneren Freiheit vorzustoßen. Zu diesem Zweck sollen wir all unsere unbewussten Ängste sowie unsere negativen Gefühle und Blockaden loslassen. Am Ende dieses Prozesses, so das Versprechen, haben wir unsere emotionalen Schwingungsfrequenzen erhöht und wandeln mit einer gesteigerten Wahrnehmungsfähigkeit glückselig und voll innerem Frieden über den Planeten Erde.
Die »dunkle Nacht der Seele« und einsame, holprige Pfade
Dieses Glücksversprechen war in den vergangenen vier Jahren so etwas wie die spirituelle Möhre, die ich vor meiner Nase wähnte. Folglich habe ich virtuell meine Ärmel hochgekrempelt und einiges drangesetzt, um all die Angst und die Wut zu überwinden, die mich von meiner Medialität abhielten. Das Ergebnis war ernüchternd. Statt hochschwingende Emotionen wie Liebe und Mitgefühl zu (er)leben, blickte ich auf die scheinbar missratene Landkarte meines Lebens und fühlte die entsprechenden negativen Gefühle.
Spiritualität macht glücklich? Nun ja, stellenweise gleicht mein Seelenweg eher einem holprigen und einsamen Pfad. Während der so genannten »dunklen Nacht der Seele«, diesem Transformationsprozess habe ich etliche Tränen vergossen – und weine zum Teil noch immer. Denn so leicht gibt sich mein Ego, dieses Konstrukt aus konditionierten Gefühlsmustern und Glaubenssätzen nicht geschlagen. Wer bin ich, wenn ich nicht mehr dieses gewohnte (negative) ICH sein will? So zerrte ich jahrelang an den zwei Enden eines Seils. Auf der einen Seite standen die mangelnde Selbstliebe, ein negatives Selbstbild und das Ego, das sich dem Wandel aus Angst vor seiner Auflösung widersetzte. Auf der anderen Seite war da der sehnliche Wunsch, für meinen Seelengefährten den Weg der bedingungslosen Liebe zu gehen.
Spiritueller Stolperstein Nr. 2: Spiritualität gerät zur Pflichtübung
Am Beginn meines spirituellen Weges schien alles gar nicht so schwer – zumal ich durch den Kontakt zu meinem verstorbenen Seelengefährten immer wieder die Liebe der Geistigen Welt spüren durfte. Spirituelle Stolpersteine? Ach was! Das Meditieren vor dem Aufstehen und dem Einschlafen fiel mir leicht. Außerdem wurden mir während dieser Zeit einige wegweisende Erfahrungen zuteil. Bedeutsame Impulse bekam ich außerdem durch die Teilnahme an spirituellen Seminaren. Die Recherchen und Begegnungen für mein Buch UMGEKREMPELT empfand ich ebenso als bereichernd. Alles toll? Nicht ganz.
Wie bereits vorhin beschrieben, stemmte sich mein Ego gegen die neuen Erfahrungen. Das Tor zur geistigen Welt schloss sich daraufhin im Laufe der Zeit. Das Meditieren fiel mir immer schwerer. Deshalb aufgeben? Auf keinen Fall! Immerhin waren mir dieses frühmorgendliche Ritual und andere spirituelle Praktiken zur Routine geworden. Müdigkeit oder Unlust sind für echte »Spiris« kein Problem, sondern eine Herausforderung. Dranbleiben lautet die Devise. Und so gerät die Spiritualität möglicherweise zum Vehikel des Perfektionismus und der Leistungsbereitschaft. Im Internet gib es zum Beispiel zahlreiche Artikel darüber, dass Meditation für ein positiv gelebtes Leben voller Elan unabdingbar ist. Das spiegelt sich auch im Eintrag eines 51-Jährigen in einer Facebook-Meditationsgruppe von Joe Dispenza vom 14. August 2021.
[…] Ich kann ohne Probleme sieben Tage die Woche arbeiten und hatte in den vergangenen zwei Monaten keinen einzigen Tag frei. […]
Perfektionismus ist ebenso ein spiritueller Stolperstein – und deshalb alles andere als hilfreich
Es sei dahingestellt, wie sinnvoll es ist, die Meditation insbesondere zur Steigerung der Leistungsfähigkeit im Alltag zu nutzen. Fakt ist jedoch, dass viele spirituelle Coaches dazu raten, bestimmte spirituelle Praktiken regelmäßig zu betreiben. Auf diese Weise übt sich ein spirituell Suchender in Achtsamkeit und wird mit der Zeit Herr seiner negativen Gefühls- und Verhaltensmuster – so jedenfalls lautet das Versprechen. Deshalb versuchte auch ich im Frühjahr 2021 trotz gesundheitlicher Beschwerden und eines stattlichen Berufspensums, meine spirituelle Praxis einzuhalten.
Ungeachtet der bleiernen Müdigkeit meditierte ich (mehr schlecht als recht) am frühen Morgen. Ich ließ mich von meinem Handy im Stundentakt an die Tageslosung erinnern. Ich hatte am Abend ein schlechtes Gewissen, wenn ich mich hatte ablenken lassen und die abendliche Meditation zu kurz ausfiel. Klingt das nach Stress? Es war stressig!
Um den Stolperstein »Spiritualität gleich Pflichtübung« beiseite zu schieben, befolgte ich den Tipp einer guten Freundin. Sie riet mir, sämtliche spirituelle Praktiken für eine Weile ruhen zu lassen. Und siehe: Es zeigte sich die Angst, vom Weg abzukommen und «so unbewusst« zu werden wie vor meinem Nachtodkontakt. Bisher sind meine Befürchtungen nicht eingetroffen – und ich gehe wieder freier und nach Gefühl meinen spirituellen Praktiken nach.
Spiritueller Stolperstein Nr. 3: Im Sumpf der Traumen stecken bleiben
Wer sich mit der Spiritualität beschäftigt, wird sicherlich mit den Begriffen »Reinkarnation« und »Karma« konfrontiert. Unter Karma verstehen spirituelle Lehrer das Prinzip von Ursache und Wirkung. Daher verkünden viele spirituell Lehrende, dass uns das Universum all die ungelösten Aufgaben erneut servieren wird. Hierzu ein Auszug aus meiner Akasha-Lesung vom Mai 2018:
Akasha-Durchsage von B. Schöll im Mai 2018
Spiritueller Perfektionismus und Schuldgefühle sind kontrapoduktiv
Solch eine Ansage erzeugt indirekt Angst. Denn: Wer mag die Aussicht, sich mächtigen Herausforderungen erneut stellen zu müssen. Um nicht zu scheitern, habe ich mich lange Zeit unter Druck gesetzt (und tue es zum Teil heute noch). Welch eine meisterhafte Chance für das Ego! Aus der Furcht, sich selbst abzuschaffen, macht es – wie eben beschrieben – die Spiritualität zur Pflichtübung. So hält es jeden spirituell Suchenden beschäftigt. Ein wunderbarer Trick des Egos sind auch die Schuldgefühle, die sich einstellen, wenn es nicht gelingt, sich den höher schwingenden Emotionen wie Dankbarkeit, Liebe, Freude und Mitgefühl zuzuwenden. Wenn ich mal wieder geneigt bin, hart mit mir ins Gericht zu gehen, hilft es mir, mich selbst mit den Augen der Liebe zu betrachten.
Aufgrund des eben beschriebenen spirituellen Perfektionismus begleitet(e) mich sehr oft ein schlechtes Gewissen. Wie gerne wäre ich die negativen Gefühle losgeworden, indem ich sie im Hier und Jetzt fühlte. Wie gerne hätte ich sie auf diese Weise «verbrannt«. Menschen, die in ihrem Leben mehrere traumatische Erfahrungen gemacht haben, können so in ein »Trauma-Hopping« geraten. Dies entspricht dem dritten Stolperstein auf dem spirituellen Weg: Die Blockaden und Negativmuster scheinen wie Pech am spirituell Suchenden zu kleben.
Traumatische Lebenserfahrungen alleine zu bearbeiten, kann zum spirituellen Stolperstein werden
Mein Lösungsansatz? Dranbleiben und meine negativen Glaubenssätze mit THE WORK von Byron Katie hinterfragen. Aber auch hier gab es immer wieder Momente, in denen mir eine WORK-Session zeigte, dass unter einem Glaubenssatz weitere, fundamental negative Gedanken verborgen waren. Ich hatte mit der besagten Work nur die Spitze eines Eisbergs gerammt. Diese Erkenntnis brachte zunächst keine Erleichterung, sondern bedrückende Ungewissheit: Wie lange würde ich brauchen, um all die blockierenden Gedanken aufzulösen? Und welcher Coach war fähig, mich bei diesem Knochenjob zu unterstützen?
Natürlich kann ich mich hinsetzen und mithilfe der WORK einen belastenden Gedanken untersuchen. Das Ego ist jedoch trickreich genug, sich der tiefen meditativen Untersuchung eines schwierigen Gedankens zu widersetzen. Dann untersucht das Ego einen Ego-Gedanken, was wenig hilfreich ist. Der dritte spirituelle Stolperstein ist daher die Gefahr, im Sumpf der Traumen stecken zu bleiben. Hier ist es hilfreich, sich kompetent begleiten zu lassen – beispielsweise durch einen WORKER der Helpline.
Spiritueller Stolperstein Nr. 4: Zu hohe Erwartungen an die spirituellen Coaches haben
Wer seine Traumen auflösen möchte, wird sich deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit nach einem guten Coach umsehen. Vielleicht denken Sie nun, dass ein Trauma ausschließlich in die Hände eines Psychotherapeuten/Psychologen gehört. Hier ist es allerdings nicht ganz einfach, einen Therapeuten zu finden, der die etwaigen medialen/sprituellen Erfahrungen des Klienten nicht von vornherein als »verrückt« betrachtet. Dies würde ein wahrhaftes Sich-Öffnen unmöglich machen.
Am besten ist es deshalb, einem spirituellen Lehrer zu begegnen, der eine psychologische Ausbildung absolviert hat und zudem ein wirklicher Menschenfreund ist. Das scheint nicht auf alle Coaches zuzutreffen, die im Internet ihre »Dienstleistungs-Pakete« als spirituelle Begleiter/-innen anbieten. Wenn ich als mögliche Klientin für eine einstündige Session 250 Euro zahlen soll, stimmt mich das kritisch. Gleiches gilt, wenn der sonntägliche Satsang als Jahrespaket für 680 Euro angeboten wird – mit dem Verweis, auf diese Weise könne ich über 17 Prozent sparen. Hinzu kommen meist so genannte Selbstlernkurse als »Schnäppchen-Angebot«. Sie bescheren dem Coach wohl ein passives Einkommen, sind aber mangels persönlicher Begleitung ähnlich hilfreich wie das Lesen eines Buches.
Egal, der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Und vielleicht ist genau jener Charakterzug/jene bestimmte Ansicht eines Coaches, die sich für mich wie ein spiritueller Stolperstein anfühlt, für einen anderen Coachee genau richtig. Unabhängig davon, wer zu wem findet, begibt sich jeder, der als spiritueller Lehrer tätig ist, in ein Dilemma.
Spirituell Suchende setzen oft all ihre Hoffnungen in den gewählten Coach und stilisieren ihn/sie unter Umständen zum Übermenschen. Daraus ergibt sich neben der Gefahr der Hörigkeit der nächste Stolperstein auf dem Weg der Spiritualität: Die Suchenden hegen zu hohe Erwartungen an die spirituellen Lehrer/-innen. Diese scheinen bereits am Ziel angekommen, im Frieden mit sich und der Welt. Deshalb sollten sie perfekt sein, sie sollten stets für die Schüler/-innen präsent sein, mitfühlend, allwissend, hellsichtig, hellfühlend, heilbringend.
Ein Indiz für einen guten Coach ist seine Demut
Auch ich hatte zu Beginn meines spirituellen Weges die Vorstellung, dass spirituelle Coaches perfekte Wesen sind. Ja, das sind sie – wie Sie und ich! Und ja, auch Coaches haben ihre Macken; sie leiden unter Kopfschmerzen oder haben einen schlechten Tag. Das war mir anfangs nicht so bewusst.
Um es abzukürzen: Ich hatte/habe gute Lehrer/-innen, die mich auf unterschiedlichste Art und Weise unterstützen. Dennoch bekommt jede(r), der fragt, eine Antwort. Diese Aussage muss nicht immer richtig sein. Mancher Ratschlag wirkte bei mir daher eher wie ein Schlag. Und das war gut so. Denn dies hat mir zur Erkenntnis verholfen, dass spirituelle Coaches auch nur Menschen sind, die sich wie jede(r) andere in einem Prozess befinden. Coaches sind nicht allwissend. Auch sie sehen nur einen Ausschnitt einer illusionären Wahrheit – ihrer Wirklichkeit. In meinem Buch UMGEKREMPELT bezog sich der spirituelle Lehrer Narada Marcel Turnau auf die Demut. Sie ist ein erster Hinweis darauf, dass der in Frage kommende Coach ein guter Lehrer ist:
»Wahre Demut zeigt sich zum Beispiel daran, wie ein Guru mit einer Putzkraft umgeht oder mit Leuten, von denen er sich keinen Vorteil verspricht.«
Auszug aus: Barbara Nobis. „Umgekrempelt. Wenn Menschen dem Ruf der Liebe folgen.“
Am liebsten sind mir deshalb Coaches, die sich nicht als »Meister/-innen« sehen, sondern als Begleiter/-innen. Ich bevorzuge jene, die mir von ihren Schwierigkeiten erzählen und zu ihrem Menschsein stehen. Somit beseitigen sie selbst die Falle, dass ihre Coachees zu hohe Erwartungen an sie als Lehrende stellen.